FUTURE TIME TRAVELLER - Umwandlung der Berufsberatung für zukünftige Fähigkeiten, Berufe und Karriereaussichten der Generation Z durch eine spielbasierte Virtual Reality Plattform

Autor:

Antonia Schorer

Institut für Lern-Innovation; Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg;

Die Digitalisierung und der Beginn der vierten industriellen Revolution verändern unsere Arbeitsweisen grundlegend. Diese Veränderungen haben sowohl Einfluss auf die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, als auch auf die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen.  Hierfür ist es notwendig, junge Menschen optimal auf die Berufe der Zukunft vorzubereiten und sie dabei zu unterstützen, ihren Platz in der zukünftigen Berufswelt zu finden. Dienstleitungen der Berufsberatung müssen sich zu einer zukunftsorientierten Beratung  und Bildungspolitik zu einem Richtungsweiser für die Zukunft entwickeln. Das Ziel des FUTURE TIME TRAVELLER Projekts ist die Vorbereitung der jungen Generation auf die Jobs von Morgen anhand eines innovativen und spiel- und szenariobasierten Spiels. Es stellt sich jedoch die Frage: Kann durch einen spielbasierten Ansatz derartige Effekte auf Jugendliche erzielt werden können? Und wenn ja, wie kann dieser Ansatz in der Praxis angewendet werden?

Die grundlegende Frage lautet demnach: Wie kann die heutige Jugend die relevanten Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der nahen Zukunft relevant sein werden, entwickeln und verinnerlichen? Um sich den besonderen Gegebenheiten der heutigen Welt von Heranwachsenden zu nähern und sich in der „Muttersprache der Spielgeneration” (Prensky 2001) Gehör zu verschaffen, erlangt notwendigerweise  der spielbasierte Lernansatz an immer größerer Bedeutung und ermöglicht so, ein tiefgehendes und nachhaltiges Lernen (Gee 2005). Die Entwicklung von Computerspielen eröffnete die Möglichkeit, die Welt durch die Lösung realer Probleme zu verändern (McConigal 2011). Das Spielen von Computerspielen erhöht die Selbstmotivation und befähigt zur autonomen Entwicklung von Kreativität, diversen Interessen und erfüllenden Emotionen. Sie schaffen das Gefühl einer zufriedenstellenden Produktivität und geben den Spielenden erreichbare Ziele an die Hand, welche die Aussicht auf Erfolg erhöhen. Soziale Bindungen werden gestärkt, die Bedeutung individueller Leistung erhöht und intensives Engagement wird mit Lebensfreude belohnt. Spiele besitzen die Besonderheit, den SpielerInnen Belohnungen oder Feedback zu geben, wenn sie es benötigen oder sich verdient haben. Lernspiele bieten dem  Spielenden die Möglichkeit, an der Lösung echter Probleme zu arbeiten, ohne eine Gegenleistung zu verlangen (McConigal 2011). Es ist demnach naheliegend, innerhalb digitaler und spielbasierender Technologien, mit denen junge Menschen vertraut sind, ihnen Unterstützung anzubieten. Die Kombination aus Spielstrukturen und Lernaspekten hat das Potenzial, motivierte, enthusiastische, fokussierte und interessierte Lernende zu generieren, die sich tiefgehend mit dem relevanten Lerninhalt auseinandersetzen (Garris et al. 2002).

Es gibt eine große Vielfalt an Lernspielen. Sie unterscheiden sich in dem in der Entwicklung investierten Aufwand; in den zu erzielenden Lernerfolgen; in dem thematischen Kontext; in der adressierten Zielgruppe; in den zugrunde liegenden Lernmethoden; in dem benötigten Zeitaufwand; in dem zweck- oder situationsabhängigen Kontext des Spiels (Schule, Universität, Berufsberatung, Training, offline, online); etc. Natürlich kann auch von guten, erfolgreichen und eher weniger erfolgreichen Lernspielen gesprochen werden. Das Spektrum reicht von relativ simplen bis zu anspruchsvollen, komplexeren Spielkonzepten. Die bisherigen genannten Aspekte der Lernspiele betreffen digitale Spiele ebenso wie analoge. Klassische Lernformen wie Gruppenarbeit, Brettspiele, themenbezogene Rollenspiele etc. sind inbegriffen. Zum Beispiel sollen in klassischen Formen der Projekt- oder Gruppenarbeit die Teilnehmenden vor allem lernen, zusammen an komplexen Themen zu arbeiten und gemeinsam Lösungsansätze entwickeln. Die Fähigkeiten, in einem Team zu arbeiten, zu kommunizieren und zu kooperieren, werden dadurch individuell gestärkt. So werden klassische Lerntheorien durch Lernspiele in dem Aspekt erweitert, dass die TeilnehmerInnen durch das Kooperative Lernen befähigt werden, autonom und aktiv den eigenen Lernprozess zu bestimmen. Zusätzlich zu der gemeinsamen Erarbeitung und Anwendung von Lösungsstrategien wird die Fähigkeit der Konsens- und Entscheidungsfindung vertieft.

Um ansprechende und lehrreiche Spielkonzepte im Rahmen der Berufsberatung zu entwickeln, stehen eine Vielzahl an Spielmethoden zur Verfügung: Sie können digital oder traditionell implementiert werden; Indoor oder Outdoor; für Individuen oder Gruppen; in Wettstreit oder Zusammenarbeit; aktive oder passive Rolle; praktische Arbeit oder Reflexion etc.  Diese Methoden können auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden. Grundsätzlich lassen sich die gängigen Spielkonzepte in fünf Klassifikationen unterscheiden: Simulation, Abenteuer, Rollenspiel, Strategie und Quiz (Game2Change).

  • Simulationen ermöglichen Lernen, indem sie dem Spielenden Erfahrungen zukommen und ihn/sie in einen bestimmten Kontext oder eine bestimmte Perspektive eintauchen lassen. Neue Themen können so aus einer anderen Sicht betrachtet werden und realistische Erfahrungen in einem sicheren Umfeld gesammelt werden. Durch das Teilen von Erfahrung kann eine Gruppenidentität entstehen.
  • In Abenteuerspielen können die Spielenden durch das Entdecken von unbekannten Dingen und durch die Lösung von Problemen lernen. Der Fokus liegt hier auf die Stärkung Argumentier- und Problemlösungsfähigkeit. Dies bindet analytisches Denken in den Spielkontext ein.
  • Der Lernprozess bei Rollenspielen wird durch das Schauspielen bewerkstelligt. Die Spielenden können in unbekannte Rollen schlüpfen und Problemlagen aus einer anderen Sicht wahrnehmen. Der zentrale Lernaspekt liegt in der Entwicklung von Kommunikationsstrategien, Gruppendynamiken und Konfliktlösungsmethoden.
  • Strategiespiele setzen an die Erarbeitung von Lösungsstrategien für komplexe Probleme an und eröffnen somit ihr Lernpotential. Plan- und Organisationsfähigkeiten werden hierbei beansprucht und Kompetenzen der Entscheidungsfindung und der Diskussionstaktik sowie der Mut zum Probieren neuer Ansätze gestärkt.
  • Bei Quizspielen lernen die TeilnehmerInnen durch das Überprüfen von bestehendem Wissen.

In der folgenden Grafik finden sie Beispiele veranschaulicht, wie diese Spieltypen in der Praxis ausgestaltet werden können. Die verschiedenen Ebenen und Inhalte der Berufsberatung können auf unterschiedliche Wege in den spielbasierten Ansatz implementiert werden.

Es stellt sich nun natürlich die Frage, wie die Berufsberatungseinrichtungen diese Erkenntnisse in ihre Praktiken einbeziehen können. Wie können ExpertInnenn ihre eigenen Karrierespiele gestalten?

Um positive Lerneffekte durch den Einsatz von spielerischen Lernmethoden zu erzielen, spielt die qualitative Entwicklung der Spiele eine wichtige Rolle (Gee 2005). Qualitativ gute Spiele, die von den Teilnehmenden gerne gespielt werden, besitzen  bestimmte Lernmechanismen, die den Teilnehmenden neue Handlungsfelder eröffnen und eigenverantwortliches Lernen, Problemlösungskompetenz und Verständnis fördern (Gee 2005).

Computer- und Videospiele sollen auf der einen Seite den NutzerInnen neue Handlungsräume aufzeigen, in denen sie Erfahrungen in Fantasiewelten sammeln können, die in der realen Welt undenkbar wären. Die aktive Rolle der Spielenden, die Wahrnehmung der Gewohnheiten und Bedürfnisse des Charakters, die Rollenübernahme anderer Identitäten und die Möglichkeiten der Manipulation von Spielcharakteren und Spielobjekten sind dabei die Hauptfaktoren. Es werden den Spielenden Räume der Erfahrung eröffnet, die ihm sonst unzugänglich sind.

Des Weiteren werden aber auch die Fähigkeiten der Lösungsfindung vermittelt. Durch spieltechnische Möglichkeiten können unterschiedliche Schwierigkeitsgrade durchlaufen werden, die durch die individuelle Leistung freigeschaltet werden. Lernmethoden, die darüber hinaus spielerisch und für den Spielenden fast unbemerkt in den Prozess implementiert werden können, sind lösbare Herausforderungen, das Geben von Feedback, der Transfer von Informationen zu geeigneten Momenten, die Reduktion komplexer Situationen auf bestimmte Faktoren, interaktive Entscheidungen und die Bearbeitung realer Faktoren in geschützten Rahmenbedingungen. Letztlich wird auch das Verstehen des Spielenden gefördert, indem er durch sein eigenes Handeln Erfahrungen sammelt und jenes reflektierten kann (Gee 2005).

Was bedeutet das für den Kontext der Berufsberatung? In Kombination mit den Top 10 Kompetenzen für die Zukunft, veröffentlicht vom Weltwirtschaftsforums (WEF 2016), können Richtlinien für die Erstellung von Karrierespielen definiert werden. Diese Richtlinien sollen bei der Konzeption und Gestaltung  von potentiellen Lernspielen  helfen. Die Kombination dieser 10 Fertigkeiten mit den Anforderungen und Prinzipien guter Lernspiele zeigt, wie dies gewährleistet werden kann. Es geht nicht nur darum, eine Auflistung mit in der Zukunft relevanten Fähigkeiten zu erstellen; es geht auch darum, Elemente, Mechanismen und Strategien herauszuarbeiten, die in einem spielbasierten Ansatz für die Entwicklung dieser Fähigkeiten förderlich sind. Die Orientierung an den nachstehenden Richtlinien ermöglicht Berufsberatern, in den von ihnen produzierten Lernszenarien erfolgreiche und effektive Aspekte der Lernspieltheorie einfließen zu lassen.